Ende Juni war ich zwei Wochen lang mit einem Freund zusammen in Kuba. Die Reise haben wir seit langem vor; die Öffnung Kubas hin zu den Vereinigten Staaten machte uns nun Druck, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Denn eins war klar: Wir wollten das alte Kuba erleben, keine internationalen Hotelketten besuchen und andere Touristen meiden. Wir wollten mit den Einheimischen in Kontakt kommen und herausfinden, was sie über die Öffnung, die heutige Zeit und ihre politische Situation denken. In diesem und folgenden Posts werde ich ein paar Zeilen zu verschiedenen Themen verlieren, die mich beschäftigen.
Das ist uns auch gelungen. Wir sind Menschen mit ganz unterschiedlichen Einstellungen begegnet. Einige haben begeisterte Reden über Fidel geschwungen, der für die meisten noch immer der Anführer ihrer Nation ist. Dass er schon vor fast zehn Jahren stückweise alle seine Ämter an seinen Bruder Raul abgegeben hat - darüber redet niemand. Wenn, dann nichts Gutes.
Fidel ist Legende. Wesentlicher Grund dafür ist wohl der irre Personenkult. Überall im Land findet man Zitate von ihm (mit Bild und wehender Flagge), Fidel trat bis vor einigen Jahren beinahe täglich in Talkshows auf. Zahlreiche Geschichten ranken sich um ihn. Er habe über 600 Anschläge überlebt, heißt es. Er war eine der treibenden Kräfte, als 1953 der Diktator Batista abgewählt werden sollte. Als ihm die Machtübernahme trotz Mehrheit nicht gelang, strengte er eine Verfassungsklage an. Als auch diese niedergeschmettert wurde, blieb ihm nur der militante Aufstand, um das ihm seiner Meinung nach zustehende Präsidialamt und die Führung von Kuba zu übernehmen. 1953 überfiel er mit etwa 80 Mitstreitern zusammen die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba, die zweitgrößte Kaserne des Landes. Doch die Revolutionäre wurden entdeckt und die Soldaten waren vorgewarnt. So wurde auch dieser Versuch blutig niedergeschlagen. Die meisten Mitstreiter von Fidel überlebten den 26.07.1953 nicht. Der Tag ist bis heute Nationalfeiertag.
Fidel hatte Glück und konnte fliehen, wie auch sein Bruder Raul. Die beiden wurden einige Tage später aufgegriffen, doch entgingen so Folter und Hinrichtung. In einem Geheimprozess wurde Fidel verurteilt und hielt seine berühmte Verteidigungsrede Die Geschichte wird mich freisprechen. Nach zwei Jahren wurde er begnadigt und verzog sich nach Mexiko, wo er auf den argentinischen Arzt Ernesto “Che” Guevara traf. Von dort aus bereiteten die neu versammelten Revolutionäre um Castro erneut alles für einen Putsch vor und schlugen Batista schließlich 1958 in die Flucht. Den entscheidenden Beitrag dazu lieferte Che Guevara, indem er mit seinen Leuten einen gepanzerten Zug voller Munition und Soldaten in einem Hinterhalt kampfunfähig machte.
Santa Clara, wo dieser Tren Blindado zum Entgleisen gebracht wurde, steht deshalb voll im Zeichen des Ches. Große Skulpturen weisen auf sein Wirken hin, seine sterblichen Überreste werden in einem Mausoleum aufbewahrt und ein Museum dokumentiert sein Leben. Der Bagger (Marke Caterpillar), mit dem Che die Gleise zerstörte, soll vergoldet werden. Noch sind aber nicht die benötigten Spenden zusammen. Solange muss ein gelber Anstrich die Bedeutung des Fahrzeugs herausstellen.
Diese kurze Geschichte zeigt, dass der Status, der Fidel eingeräumt wird, auch nicht ganz unberechtigt ist. Schließlich hat er selbst vor 60 Jahren die Revolutinäre unter Einsatz seines Lebens zum Sieg geführt und seitdem versucht, soziale Gerechtigkeit im Land herzustellen. Unerschrockenheit, Ideologismus und Überzeugung - Ich vermute, dass das der Grund ist für die Sympathie, die ihm die Bevölkerung entgegenbringt. Außerdem soll er ein charismatischer Redner sein. Deshalb steht wohl sein Bruder Raul noch immer hinter ihm zurück.
An der sozialistischen Ideologie wird streng festgehalten, privatwirtschaftlich funktioniert abseits des Schwarzmarkts fast nichts im Land. Wir fragten einen Mann, der mit einem Wägelchen auf der Straße im Touristenviertel von Havanna Churros verkaufte, ob das ein gutes Geschäft sei. Antwort: Para el estado si (Für den Staat schon). Über die sozialistische Gesellschaft möchte ich in einem kommenden Beitrag schreiben.